
Nachdem die Keramik bis zum ausgehenden 20. Jahrhundert mehr im Kunsthandwerk zuhause gewesen war, kommt sie nun zurück in den grossen Museen.
Künstlerinnen und Künstler wie Rosemarie Trockel, Grayson Perry, Betty Woodman oder Ai Weiwei haben Ton und Keramik mit verschiedenen Ansätzen für ihre Werke entdeckt und kommende Generationen damit nachhaltig beeinflusst. Mit Keramik ist seit jeher auch das Gefäss verbunden. Aktuelle Künstlerinnen und Künstler setzen Gefässe zwar selten funktional ein. Doch ihre Symbolik ist immer auch eine Referenz an den Gebrauch, das Häusliche und Alltägliche oder aber an das Fürstliche und Repräsentative. Das Gefäss wird verwendet als Zeichen und verweist auf seine facettenreiche Geschichte.
Die inhaltliche Herangehensweise an den funktionalen Gegenstand ist auch Teil der Ausbildung an der Keramikdesign Fachklasse der Schule für Gestaltung Bern und Biel. Die Ausbildung legt grossen Wert darauf, Objekte lesen zu lernen und bewusst assoziierte Bedeutungen gestalterisch einzusetzen.
Im Unterricht ist Gestaltung ab dem ersten Tag ein wichtiges Thema. Ausbildnerinnen und Ausbildner konzipieren Projekte so, dass die Lernenden jeweils selber über mehrere Gestaltungskomponente entscheiden müssen. Dafür benötigen sie ein Gestaltungsvokabular, das sie während den Projekten erarbeiten und erweitern.


Aline hat sich an das barocke Gefäss, die barocke Ästhetik und deren Hintergründe herangetastet, indem sie diese überdimensioniert und gekonnt nachlässig nachgetöpfert hat. Sie lässt die Fingerspuren des Modellierens absichtlich stehen; damit erreicht sie eine Art Verzierung, welche an die Ornamentik des 17. Jahrhunderts erinnert. Sie entwickelt aus ihrer ureigenen Sicht auf den Barock eine ästhetische Haltung und erfindet das Verb «barocken».

Aline Julie Hubschmied «barockt» ihre Gefässe und meint damit ein überladenes, ästhetisches Spiel mit den Zeichen des Kitsches, der Macht, des Reichtums und dessen Schattenseiten – und dies mit einem Blick auf die aktuelle Gesellschaft. So findet man an ihren Objekten neben oralen Mustern auch vergoldete Ketten, Müll, Coca-Cola-Banner, Palmen und Werbeschriftzüge – alles aus Porzellan.

Das virtuose, gekonnte «Hinbasteln» des mit Reichtum konnotierten Objekts und die Kombination mit Elementen der Popkultur sowie die nonchalante Haltung der Macherin degradiert das einst fürstliche Objekt einerseits, und adelt es anderseits im Kontext zeitgenössischer Gestaltung. Mit ihrem Spiel der Gegensätze schafft sie es, eine gesellschaftskritische Haltung zu vermitteln, die über die Grundform des klassischen Gefässes vielen zugänglich wird. Das Gefäss wird hier zum Träger einer Botschaft.


«Mehr ist mehr», dieser Maxime folgend dreht Jutta Galizia symmetrische Einzelteile aus Steingutton auf der Töpferscheibe, verformt oder schneidet sie aus, um sie neu zusammenzusetzen. Die unsinnigen Proportionen, krummen Formen, formalen Brüche und rätselhaften Funktionen belustigen, irritieren und wecken kuriose Gedankengänge.



Weshalb scheint etwas vertraut oder fremd? Auf der Suche nach Antworten setzt die Gestalterin vertraute, unmittelbare Elemente in Kontrast zu fremden, irritierenden. Mit Porzellan, Irdenware oder Steinzeug Ton baut sie ihre Arbeiten von Hand auf. Die Objekte oszillieren zwischen Abstraktion und Figuration, regen zu Assoziationen und Projektionen an.

Einhörner, Meerjungfrauen und Delfine sind auf organisch geformten Gefässen als Relief aufgetragen und mit buntem Spritzdekor überarbeitet. Spätestens wenn man sieht, dass die Gestalterin die Preisschilder an den Plastikblumen absichtlich kleben lässt, wird klar, dass sie sich mit viel blumiger Ironie und Schalk an das Thema herantastet.


In der Werkstatt stellt er die abgeformten Teile in Porzellan her. Er abstrahiert die Elemente und präsentiert sie ganz in weiss auf kaltem Metall. Es braucht Zeit, um die Herkunft der Formen zu entdecken, danach faszinieren die vielen Details – jedes Schnauzhaar, jede Hautpore ist zu sehen.